Contact Center Trend-Studie 2023 - Menschen, Technologien und Prozesse

Die „Contact Center Trend-Studie“ erscheint 2023 zum vierten Mal und untersucht wichtige Komponenten für einen erfolgreichen Kundendialog und aktuelle Trends im Zusammenspiel zwischen Mensch, Technologie und Prozessen. In Kooperation mit VIER und Damovo werten die Spezialisten der RUF-Beratung aus, wie in den Servicecentern Kommunikation, Zufriedenheit, Prioritäten, Maßnahmen, Potenziale, Technologien, Verbesserungen, Trainings, Kanäle und Agent:innen-Weiterbildung zusammenspielen und das alles mit und ohne Homeoffice vor und während der Pandemie.

SQUT: Direkt zu Beginn die Frage: Waren die Ergebnisse erwartungsgemäß oder gab es Überraschungen?

Roland Ruf: Ja, es gab Überraschungen. Anhand der Zahlen können wir klar belegen, dass die Digitalisierung und die verbesserte Arbeitsplatzgestaltung deutlich voranschreiten. Wir sind dabei, das Contact Center zu modernisieren. Ich hätte nicht gedacht, dass wir das innerhalb von vier Jahren, in denen wir die Studie bisher durchführen, so deutlich sehen können. Sicherlich waren es vier sehr besondere Jahre. Mit der Trend-Studie ist es uns möglich, die Veränderung festzuhalten und zu belegen.

SQUT: Jedes Jahr eine neue Trendstudie – ist unsere Branche von Wandel geprägt oder bleiben die Ergebnisse nahezu deckungsgleich?

Roland Ruf: Ehrlich gesagt, hätte ich 2019, als wir die Befragung das erste Mal durchführten, nicht gedacht, dass wir einem so krassen Wandel unterliegen. Das ist gerade sicherlich nicht nur in unserer Branche so. Damals war die Erwartung, dass wir größere Veränderungen in Zahlen nach vier oder fünf Jahren erkennen können. Doch erst Corona und nun der Krieg gegen die Ukraine haben im Contact Center-Alltag erhebliche Spuren hinterlassen. Anhand der Befragung sehen wir ganz deutlich, wie sich die Krisen auf den Alltag der Contact Center auswirken. Ein spannender Aspekt sind die Service-Center-Ziele: Bei entspannter Geschäftslage ist das Ziel „Umsatzsteigerung“ im Kundenservice wichtiger als bei angespannter. Gerade gegensätzlich sieht es bei der Kontaktvermeidung aus, die wird bei schlechter Wirtschaftslage wichtiger.


SQUT: Der höchste Frustfaktor bei den Mitarbeitenden ist die hohe Arbeitslast. Da spielt sicher der Arbeitsmarkt eine Rolle. Dennoch ist die Mitarbeiterzufriedenheit nach wie vor deutlich weniger wichtig als die Kundenzufriedenheit. Wie erklären Sie sich das und wie deckt sich das mit Ihren Erfahrungen?

Roland Ruf: Diesen Punkt muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. In vielen Gesprächen höre ich Führungskräfte, die sich über den Personalmangel beklagen. Im Bereich Recruiting werden deshalb auch neue Prozesse etabliert und investiert. Jedoch wird die Mitarbeiterzufriedenheit in der Prioritätenliste nicht weiter in den Fokus gerückt und ist seit vier Jahren nahezu unverändert. Da spielen scheinbar andere Faktoren wie der Effizienzgewinn eine größere Rolle. Das ist erschreckend, denn in einem Umfeld, das schon sehr effizient arbeitet, (es gibt kaum einen anderen Büro-Arbeitsplatz, der so vielen Kennzahlen (KPIs) unterliegt und in dem das Personal so klar strukturiert ist und Tasks abarbeitet), sollte die Mitarbeiterzufriedenheit einen viel höheren Stellenwert haben.  

Der Mitarbeiterfrust aufgrund von Arbeitslast, fehlendem Wissen und schlechter Vergütung ist sogar gestiegen. Ich finde das alarmierend. Sollte hier nicht sehr schnell ein Sinneswandel der Führungskräfte stattfinden, wird die Branche noch mehr unter der Personalknappheit leiden. Denn eins ist mit Corona sehr deutlich geworden: Personal kann von einer Branche in einer andere abgezogen werden und wenn es den Menschen dort besser gefällt, dann bleiben sie da. Es gibt, glaube ich, gerade keinen Gastronomen, der nicht darunter leidet. 

SQUT: Von der Krise in die Krise. Während der letzten Studie befanden wir uns in der Corona-Pandemie, in dieser Studie spielen Krieg, Energie-Krise und Inflation mit rein. Kann man das in den Ergebnissen ablesen?

Roland Ruf: Ja, sehr deutlich. Wir haben im letzten Jahr ganz klar erkannt, dass sich das Arbeitsleben wieder etwas normalisiert hatte. Wie man so schön sagt, wir waren im „New Normal“ fast angekommen, dann kam der nächste Schock. 

Das Homeoffice hat sich zur festen Größe entwickelt und interessanterweise haben offensichtlich manche Befragten vergessen, dass Homeoffice nicht schon immer in ihren Arbeitsalltag gehört. Anders als mit einem Schleier des Vergessens kann die Tatsache, dass 2021 nur 30 % angaben, schon immer Homeoffice angeboten zu haben und heute 39 %, nicht erklärt werden. 

Mich hat erstaunt, wie schnell das Thema Arbeitsplatz angegangen wurde. Das steht ganz klar auf der Agenda der Führungskräfte. Gleichzeitig sehen nur noch 3 % der Agent:innen die schlechte Arbeitsplatzausstattung als Stressfaktor, vor 2020 waren es noch 17 %. Das ist eine der positiven Entwicklungen. Der Handlungsbedarf hat sich während der Pandemie gezeigt und wurde schnell angegangen.

Mit dem Krieg sind Themen wie Umsatzsteigerung in den Hintergrund getreten und Kontaktvermeidung und Effizienzgewinn stehen klar im Vordergrund.

Ein anderer spannender Aspekt, der sich auch entsprechend der Wirtschaftslage entwickelt, ist der Fokus auf Qualität. Diese scheint als Verbesserungspotenzial dieses Jahr wieder weniger wichtig geworden zu sein.

Und noch ein Faktor: Im Freitext gaben einige Teilnehmer:innen an, dass die Gespräche mit den Kunden „härter“ geworden sind und weniger harmonisch ablaufen. Ich nehme an, dass auch bei den Kunden die Nerven blank liegen.

SQUT: Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben und nicht nur eine punktuelle Pandemie-Erscheinung. Was hat das für eine Auswirkung auf Trends in Bezug auf QM-Maßnahmen wie Coaching, Training oder Fortbildung?

Roland Ruf: Auch im Schulungsbereich schreitet die Digitalisierung weiter voran, hat aber noch viel Luft nach oben. Das Thema E-Learning hat in den letzten Jahren zugenommen und liegt mittlerweile bei 47 %, vor vier Jahren waren es noch 35 %. In anderen Bereichen haben wir aber immer noch Modernisierungsbedarf. Ein geschlossener Qualitätsmanagement-Prozess wird nur bei 39 % der Unternehmen eingesetzt – ein Wert, welcher sich nicht zu stark veränderte in den letzten Jahren. Das wundert mich ehrlich gesagt, denn meiner Meinung nach sollten Unternehmen im Kundenservice wie in jedem produzierenden Gewerbe auch, ein Interesse daran haben, die Qualität nachhaltig zu steuern. Andererseits geht es in der Krise oft erstmals ums „Überleben, egal wie“. Die Sprachanalyse (20 %) wird  als effizientes Tool weiterhin viel zu wenig genutzt in Deutschland.

SQUT: Im letzten Jahr war die Prognose, dass die Unternehmen auf den aktuellen Stand der Technik nachziehen müssen und dass sie sich zu oft noch nicht im Klaren darüber sind. Ebenso im Bereich Digitalisierung. Bewegt sich da was?

Roland Ruf: Definitiv ist der Digitalisierungs-Tanker in Bewegung gekommen. Ich sehe das auch in unseren Beratungsprojekten. Die Nutzung von Omnichannel-Plattformen hat sich verdoppelt. Es gibt einen starken Rückgang von Fax und Brief, ganz allgemein Papier als Tool seit der Pandemie. Dieser Trend setzt sich fort. Wir sind definitiv dabei, uns weiter zu digitalisieren. Meiner Meinung nach hätten wir damit auch ein Jahrzehnt früher anfangen können, aber es ist ja nichts Neues, dass manche Unternehmen zu Veränderungen manchmal einfach einen Stups brauchen.

SQUT: Was ist Ihr Fazit?

Roland Ruf: Die Trend-Studie liefert wichtige Insights und beleuchtet den Status quo in den deutschen Contact Centern. Ich hoffe, dass nächstes Jahr noch mehr Contact-Center-Manager an der Befragung teilnehmen. 

Beim Arbeitsplatz und den Tools hat sich in den letzten Jahren viel verändert. Nun sind es aber die fehlenden Mitarbeiter:innen bei hohem Volumen und die Angst vor einer Rezession, die zur Herausforderung werden. Dabei stehen die Mitarbeiter:innen nicht genügend im Fokus.

Bei der Auswahl von Technologie sollte klar auf Volumen und das damit verbundene Optimierungspotenzial und nicht auf Trendthemen/Hype geachtet werden (siehe Kasten).

SQUT: Wenn Sie die Ergebnisse mit der Berater-Brille betrachten, was raten Sie den Verantwortlichen für Contact Center am dringlichsten?

Roland Ruf: Ich habe zwei wichtige Ratschläge:
Steuern Sie nicht kopflos auf das nächste Effizienzziel zu. Analysieren Sie, wo Ihr knappes Budget am besten eingesetzt wird. Wir machen z. B. im Rahmen von kurzen Customer Service Assessments eine Analyse und Bewertung des Ist-Zustands und zeigen mögliche Maßnahmen in Fact Sheets mit Kosten und Aufwand, Nutzen und Umsetzungsdauer auf, so dass Sie einfach eine Entscheidung treffen können, wo sich Investitionen lohnen.

Der zweite Punkt ist die Organisation: Die heutigen Möglichkeiten benötigen eine andere Organisation und Steuerung im Vergleich zu vor fünf oder zehn Jahren. Self-Service und eine Omnichannel-Plattform ersetzen eine 1st-Level-Support-Organisation. Wie stellen Sie also Ihren Kundenservice in der Zukunft personell auf? Auch hier geben wir gern Tipps und Tricks weiter.

Kümmern Sie sich folglich um Ihre Mitarbeitenden und digitalisieren Sie weiter. Das ist kein entweder oder, sondern ein ganz großes UND. Dank Automatisierung können viele Aufgaben von Kunden selbst erledigt werden. Das machen Kunden auch gerne, da es schnell und einfach geht. Im Contact Center landen dann aber immer komplexere Aufgaben oder Beschwerden. Das bedeutet, ihr Personal muss gut geschult und mit den richtigen Tools und Kompetenzen ausgestattet sein. Zudem wird es immer schwieriger werden, neues Personal zu finden und das bestehende benötigt ein deutlich fundierteres Training. Erhöhen Sie die Zufriedenheit der Mitarbeiter:innen, die bei Ihnen arbeiten. Hohe Fluktuationsraten wie in den 2000ern können wir uns zukünftig nicht mehr leisten.

Roland Ruf ist Geschäftsführer der RUF Beratung. Das auf Contact-Center spezialisierte Beratungshaus unterstützt Unternehmen bei Projekten im Kundenservice - ganzheitlich und pragmatisch. Sowohl als Interimsmanager als auch bei Projekten in den Bereichen Technologieauswahl und deren Implementierung,  Prozessberatung und -anpassung sowie im Personalwesen sind die Experten der RUF Beratung in auf den Kunden maßgeschneiderten Aufträgen im Einsatz

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